Zwischen Wickeln, Wochenbett und Wunder: Geburt verläuft nicht immer „perfekt“ oder wie im Bilderbuch. Wie du als Mutter mit einer schwierigen oder traumatischen Geburtserfahrung umgehen kannst und die Beziehung zwischen deinem Baby und dir nachhaltig stärkst, erfährst du hier.
Inhalt
Beginnen wir mit den nackten Zahlen: Ein Drittel aller Frauen in Deutschland erleidet unter der Geburt ein Geburtstrauma. Das sind 207.897 junge Mütter jährlich, die sich durch die Geburt oder das Wochenbett belastet fühlen und mitunter von psychischer und / oder körperlicher Gewalt betroffen waren. Statistiken wie diese vom Deutschen Hebammenverband mitgeteilte beweisen: Nicht nur Mütter, die meinen Blog lesen, meinen Podcast hören und meine Arbeit kennen, sondern rein statistisch auch viel zu viele andere wissen aus eigener Erfahrung, dass eine Geburt nicht nur ein körperlicher Kraftakt oder ein medizinisches Ereignis ist. Sie ist ein emotionales Erdbeben – für die Mutter und das Baby. Gerade wenn der Start holprig war – etwa durch Kaiserschnitt, Saugglocke, Notfälle, Trennung nach der Geburt – bleiben oft Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und innerer Leere sowie Scham- und Schuldgefühle. Und auch Babys spüren das und sind oftmals mit belastet.
Doch was kannst du tun, wenn der Start ins Leben deines Babys und damit in euer gemeinsames anders lief als erhofft? Wenn Angst, Schmerz , Trauer oder Trennung überschattet haben, was eigentlich ein magischer Moment sein sollte? Hier setzt etwas Wundervolles an – die Methode von Brigitte Meissner. Mit dem Babyheilgespräch und dem Bondingbad schafft sie Räume für Heilung – für Mutter und Kind.
Wer ist Brigitte Meissner?
Brigitte Meissner ist Hebamme, Körpertherapeutin, Heilpraktikerin, Autorin und Mutter – und vor allem eine Pionierin, wenn es darum geht, traumatische Geburtserlebnisse auf sanfte Weise aufzuarbeiten. Mehr zu ihrer Arbeit und ihrer Person erfährst du auf ihrer Webseite https://www.herzensfaden.com/. In ihrer Praxis in Winterthur (Schweiz) hat sie auf der Grundlage von Forschungen und Beobachtungen diverser Psychoanalytiker*innen über viele Jahre hinweg erkannt: Babys erinnern sich. Nicht mit Worten – aber mit ihrem Körper, ihrem Nervensystem, ihrer Mimik, ihrem Verhalten. Aus dieser Erkenntnis entwickelte sie eine liebevolle, einfache und zugleich tiefgreifende Methode, um Geburtstraumata zu verarbeiten und die Bindung zwischen Eltern und Kind zu stärken: das Babyheilgespräch und das Bondingbad.

Das Babyheilgespräch
Was ist ein Babyheilgespräch?
Das Babyheilgespräch ist ein bewusst gestalteter Raum, in dem die Mutter mit dem Baby über die Geburt spricht. Ja, richtig gelesen: Man spricht mit dem Baby. Denn diese jüngsten Menschen fühlen und verstehen bereits und können darauf regieren mit Gestik, Mimik und Weinen. Ziel ist es, das Erlebte auszusprechen – ehrlich, emotional und in einfachen Worten. Denn auch wenn Babys Sprache noch nicht verstehen, nehmen sie unsere Stimmung, Stimme, Körperhaltung und Emotionen sehr wohl wahr und so kann ein Dialog entstehen.
Die Mama kann zum Beispiel von der Situation erzählen, über die sie immer wieder nachdenken muss oder von ihren Gefühlen, die sie noch sehr belasten. Oft teilen Mütter ihrem Baby auch ihr Bedauern mit über den Ablauf der Geburt.
Dabei entsteht oft eine intensive Verbindung – begleitet von Tränen, Berührung und emotionaler Nähe. Es geht nicht um Schuld oder Analyse, sondern um das gemeinsame Fühlen. So entsteht ein Dialog von Herz zu Herz, kein Monolog. Dein Baby kann reagieren. Es kann schreien, weinen, gucken, sich anspannen oder entspannen. Euer Raum öffnet sich für alle Emotionen. „Hätte-“ oder „Was wäre, wenn“-Sätze werden in Schach gebracht. Schuldgefühle gegenüber dem Kind werden in sicherem Rahmen ausgesprochen mit dem Ziel, dass sie die Mutter nicht länger derart belasten und damit auch das Baby entlastet wird.
Wie führe ich ein Babyheilgespräch?
Bei der Durchführung bist du optimalerweise eh mit deinem Baby allein an einem sicheren, ungestörten Wohlfühlort. Schau, dass alle Grundbedürfnisse deines Babys befriedigt sind. Das kannst du HIER nachlesen. Jetzt kann das Wohlfühlhormon Oxytocin fließen und ihr beginnt mit eurem Dialog von Herz zu Herz.
Wenn du dich unsicher, unwohl oder gar verängstigt fühlst, musst du nicht allein da durch. Ich helfe dir bei der Vorbereitung gerne persönlich. Es ist auch möglich, dass eine Vertrauensperson, Doula, Hebamme oder Birthkeeper in Hörweite bleibt, um dir Sicherheit zu geben. Jetzt darfst du deinen Gefühlen Raum geben und deine Tränen dürfen fließen. Die Reaktionen deines Babys können ganz unterschiedlich sein: Vielleicht weint dein Kind während des Gesprächs. Vielleicht guckt es dich auch mit großen Augen an und hört gespannt zu. Vielleicht spannt es sehr an, vielleicht dreht es das Köpfchen weg. Hab‘ keine Angst, es schreien zu lassen. Du bist ja da und lässt es nicht allein. Das alles ist seine Art der Kommunikation. Führe es gerne im Abstand von rund einer Woche drei- bis viermal. Es wird euch beiden guttun.
Du kannst beim Babyheilgespräch nichts falsch machen – mit einer Ausnahme. Führe es bitte nicht in der ersten Woche nach einer traumatischen Geburt, wenn du womöglich noch im Schockzustand steckst. Dieser Versuch könnte entweder re-traumatisierend wirken oder einfach „nichts bringen“, weil du dazu emotional noch gar nicht bereit bist.
Und wichtig: Du musst nichts durchziehen. Erscheint dir euer Gespräch zu überwältigend, steig‘ aus und besprich dies mit deinem Kind. Auch das ist eine Form von Heilgespräch. Aussprache als ein Weg zur Heilung. Probiere es einfach bei anderer Gelegenheit nochmal allein – oder mit mir.
In welchem Alter meines Kindes führe ich ein Babyheilgespräch?
Der Name ist irreführend: Ein Babyheilgespräch muss nicht zwingend in den ersten Lebensmonaten stattfinden. Das Baby kann auch längst ein Kleinkind oder sogar ein älteres Kind geworden sein. Ich habe arbeite tatsächlich auch immer mal wieder mit Teenager-Mamas damit. Natürlich bedarf es eines anderen Settings, je nach Alter. Aber grundsätzlich ändert sich nicht viel an der eigentlichen Idee hinter dem Heilgespräch. Die Dialoge sind alleine deshalb schon anders, da die Kinder auf vielfältigere Art und teilweise mit Sprache reagieren können. Auch hier gilt: Keine Angst vor Fehlern:
Kinder nehmen sich, was sie brauchen und gehen, wenn sie genug haben. Manche halten sich die Ohren zu und verdrücken sich. Meine Tochter (damals 2,5 Jahre alt) suchte nach dem ersten Heilgespräch mit mir plötzlich viel aktiver Körperkontakt und wollte öfter Kuscheln als vorher. Warum ich das betone? Viele Mütter sprechen im Vorfeld von fehlender Bindung zwischen ihnen und ihrem Kind. Sie leiden unter der Sorge, es könnte etwas zwischen ihnen stehen. Lass mich dir sagen: Es ist nie zu spät, daran zu arbeiten. Ob dein Kind zwei, acht Jahre alt ist oder 16 Jahre alt ist.
Wenn dir all das (noch) zu viel erscheint: Schreibe Dir im Vorfeld einen Brief an dich selbst. Schreibe dir daran alles von der Seele. Danach kannst du ihn getrost verbrennen. Weil nicht das Resultat zählt, sondern der Prozess. Und wenn du auch den (noch) nicht verfassen willst, ist das auch ok. Du bist bereit, wenn du bereit bist und das ist völlig individuell. Vielleicht sagt dir die zweite Methode zur Verarbeitung der Geburt ja mehr zu.
Was ist ein Bondingbad oder Babyheilbad?
Das Bondingbad ist der körperliche Teil von Brigitte Meissners Methode – und gleichzeitig ein zutiefst berührendes Erlebnis. Es baut auf das Heilgespräch auf, setzt nochmal alles auf Anfang, weckt und befriedigt Urbedürfnisse, verschafft dir neues Vertrauen in die eigenen Kompetenzen als Mama, stärkt Urvertrauen und sagt deinem Kind: „Jetzt bin ich da und kann geben“.
Du als Mama liegst mit nacktem Oberkörper im Bett, dein Baby wird von einer Vertrauensperson gebadet und dann nackt und warm auf deine Brust gelegt wird, gefolgt von Handtuch und Bettdecke. Deine Begleitung zieht sich nun zurück, denn das ist jetzt nur eurer Mama-Baby-Moment. Spiele und fühle das nach, was du dir für eurer erstes Kennenlernen erträumt hattest. Babys Ur-Instinkte werden geweckt werden. Vielleicht sucht es mit Kopf, Händen oder dem Mund nach deiner Brust. Vielleicht weint es auch. Es ist okay. Lasse dich darauf ein. Lasse deine Gefühle zu. Und sprich mit deinem Baby. Es gilt, was auch beim Heilgespräch gilt: Du darfst alles rauslassen. Du musst aber nichts durchziehen.
Häufige Reaktionen im Bondingbad:
- Das Baby weint plötzlich – ein Zeichen, dass sich emotionale Spannungen lösen
- Das Baby schläft ein – pure Entspannung und Urvertrauen
- Auch Mütter spüren eine Art „Reset“, eine tiefe Erleichterung
Das Setting kann auch variieren, je nachdem, was ihr bei der Geburt erlebt habt oder euch jetzt wichtig ist. Ich liebe es, das Bondingbad mit euch individuell zu gestalten und bin immer wieder begeistert, über die Magie, die sich daraus zwischen Mutter und Kind entwickelt.

In welchem Alter meines Kindes steigen wir ins Bondingbad?
Wie der Ablauf mit einem Baby aussehen kann, habe ich bereits geschildert.
Wie beim Heilgespräch auch ändert sich das Setting mit zunehmendem Alter des Kindes. Sprachliche Begleitung spielt eine zunehmend groß Rolle. Auch hier sind alle Gefühle und Reaktionen okay, solange du dich am Kind orientierst.
Bei älteren Kindern solltest du dich fragen, ob die Intimität des Nackt-Beieinander-Liegens dir und deinem Kind noch angebracht erscheint und alternativ eine Ersatzhandlung finden. Das kann eine gemeinsame Aktivität sein, eine liebevolle Geste, Rituale. Viele Mütter berichten mir, dass die Beziehung zum Kind sich dadurch näher und echter anfühlt und dass sie selbst dadurch weicher werden, weil sie das Geburtserlebnis und die damit verbundenen Gefühle endlich loslassen können.
Zusammenfassung & Fazit: Warum sind Babyheilgespräch und Bondingbad gut für Mutter und Kind?
1. Sie verarbeiten gemeinsam, was war
Traumatische Geburtserlebnisse wirken nach – manchmal unterschwellig, manchmal ganz deutlich seelisch und körperlich. Unverarbeitete Spannungen können sich beim Baby in Schlafproblemen, Unruhe oder Bindungsschwierigkeiten zeigen. Mütter kämpfen oft mit Schuldgefühlen oder Trauer über den verpassten „perfekten Start“. Die Methode von Brigitte Meissner gibt beiden einen sicheren Raum, um diese Gefühle anzuerkennen und zu verwandeln.
2. Sie stärken die Bindung
Bindung entsteht durch Nähe, Vertrauen und liebevolle Resonanz. Im Heilgespräch und im Heilbad passiert genau das: eine neue, tiefere Verbindung zwischen Mutter und Kind.
3. Sie fördern das emotionale Gleichgewicht
Ein emotional entspanntes Baby kann besser schlafen, trinken, sich regulieren. Und eine emotional gestärkte Mutter kann präsenter, klarer und gelassener für ihr Kind da sein.
4. Sie wirken auch Monate später noch
Ob das Baby drei Wochen, drei Monate oder drei Jahre alt ist: Das Nachholen von Bindung ist immer möglich. Manche Eltern machen das Bondingbad sogar mit Kleinkindern – und auch das kann heilsam sein.
Fazit: Ein zarter Weg zur Heilung
Das Babyheilgespräch und das Bondingbad sind keine esoterischen Rituale – sondern sanfte, achtsame Tools, um belastende Erfahrungen zu verarbeiten und die Bindung zwischen Mutter und Kind zu stärken. Gerade in einer Zeit, in der Geburten leider immer mehr zum medizinischen Ereignis gemacht werden, braucht es manchmal genau das: einen Moment des Innehaltens, der Verbindung, der liebevollen Neubegegnung.
Die Zeit allein heilt nicht alle Wunden, aber auch tiefe Wunden werden heilen.
Wo kann man ein Babyheilgespräch oder Bondingbad machen?
In einigen Krankenhäusern bzw. Wochenbettstationen werden die Methoden von Brigitte Meißner in den ersten Tagen nach der Geburt angeboten. Ich sag es ehrlich: Ich bin kein großer Fan davon. Ist die Mutter stark traumatisiert, könnte es sie emotional sehr überfordern und mehr schaden als heil machen. Oder aber die Mutter ist noch gar nicht richtig bei sich und somit emotional gar nicht bereit für diese Erfahrung. Daher äußern nicht wenige Mütter bei unserem ersten Kennenlernen: „ Ja, ich habe das Bondingbad nach dem Kaiserschnitt direkt im Krankenhaus gemacht, aber es hat irgendwie nichts gebracht.
Daher meine Empfehlung: Warte einige Wochen nach der Geburt ab und mache es zuhause bzw. dort, wo du dich am aller sichersten und wohlsten fühlst. Wenn du dich begleiten lassen möchtest, lohnt es sich, bei der eigenen Hebamme oder im lokalen Elternnetzwerk nachzufragen. Oder, wo du schon mal hier bist, bei mir: Als Sozialpädagogin B.A., freie Doula, Kursleiterin für mentale Geburtsvorbereitung und Babymassage sowie systemische Beraterin kann ich zwar nicht zaubern und die Uhr für dich zurückdrehen.
Was ich aber kann ist: Zuhören und dir Handlungsstrategien an die Hand geben, damit die belastenden Erlebnisse nicht dein weiteres Leben (und das deines Kindes) negativ beeinflussen.